Piter Poel

von Konrad Feilchenfeldt

Poel, Piter, * 17.6.1760 Archangel, gest. 3.10.1837 Altona; ev. - Diplomat, Privatgelehrter, Redakteur, Verleger, Schriftsteller, Philanthrop. Familie des Vaters aus Holland stammend, wo Peter der Große von Russland bei P.s Urgroßvater Gerrit Claesz. Pool im Schiffsbau ausgebildet wurde; Gerrit Claesz. Pools Sohn, P.s Großvater nach Russland ausgewandert, Mutter ebenfalls aus holländischer, in Russland ansässiger Kaufmannsfamilie.

P.s Kindheit und Jugend waren vom frühen Tod seiner Eltern überschattet. Zusammen mit seiner Schwester, die seit dieser Zeit mit ihm in ständiger Verbindung lebte, wurde er zuerst in Hamburg in ein französisches Mädchenpensionat, später in eine Knabenpension gegeben. Nach dem Willen seines Vaters ergriff P. den Kaufmannsberuf. 1776 erhielt er eine Stelle als Kopist im Handelshaus Hamann und Marheiljac in Bordeaux.

Im September 1778 verlieft er Frankreich wieder und nahm in Genf Wohnsitz, wo er bei der ihm von Hamburg her befreundeten Familie de Chapeaurouge Anschluß fand und sich privat auf die Universität vorbereitete. Zum Wintersemester 1780/81 ging er an die Univ. Göttingen, mußte sie aber wegen eines Duells, bei dem er selbst verwundet wurde, noch im gleichen Winter wieder verlassen. Nachdem er den Sommer 1781 bei der Schwester in Lübeck und auf dem elterlichen Gut Zierow verbracht hatte, kehrte er im Herbst nach Göttingen zurück. Ziel seiner Studien war die Vorbereitung auf ein Amt im höheren Staatsdienst, wobei er aber den geselligen Aspekt der von ihm gewünschten Laufbahn nicht außer Acht ließ: in Göttingen war er Mitglied eines Ordens der sogenannten "Z.N.". 1783 ging er endgültig von der Universität ab.

Nachdem er mündig geworden, war und das väterliche Erbe antreten konnte, siedelte er nach St. Petersburg über, wo ihn van Brienen, ein Onkel mütterlicherseits, an das Ministerium des Äußeren empfahl. Als Secretaire interprete trat er mit Kapitänsrang in den russischen Staatsdienst ein, nahm aber bereits 1784 Urlaub und reiste nach Stockholm in der Hoffnung, dort oder in Hamburg als diplomatischer Vertreter angestellt zu werden.

1785 kehrte er jedoch ohne Anstellung nach Hamburg zurück und baute sich eine unabhängige Existenz auf. Die Mittel, die ihm aus dem väterlichen Erbe zur Verfügung standen, erlaubten ihm, sich während seines ganzen Lebens privaten, vor allem ökonomischen und zeitgeschichtlichen, Studien zu widmen. Seine vertrautesten Freunde waren >Caspar von Voght (s. Bd 2, S. 236), den er im Frühjahr 1786 auf einer Geschäftsreise nach Paris und London begleitete, Georg Heinrich Sieveking, der mit ihm seit 1793 einen gemeinsam erworbenen Landsitz in Neumühlen bewirtschaftete, und seit 1808 auch der in dänischen Diensten stehende Diplomat Johann Georg Rist (s. d.). Der sogenannte Neumühlener Kreis vermittelte P. als Mittelpunkt geselligen und literarischen Lebens Kontakte u. a. mit Klopstock, Wilhelm von Humboldt, Friedrich Jacobi<, Voss und zahlreichen Ausländern. P. war mit Voght einer der 4 Direktoren des Altonaer Institutes zur Unterstützung französischer Emigranten, wie er überhaupt an allen Fragen, die mit der Französischen Revolution zusammenhingen, ein gesteigertes Interesse zeigte.

Neben seiner Tätigkeit als Inhaber des Altonaer Merkurs, dessen Privileg er der Vermittlung Voghts verdankte, gab er zusammen mit Johann Friedrich Reichardt und Carl Friedrich Cramer (s. Bd 2, S. 116) seit 1798 die politische Zeitschrift "Frankreich" heraus, was wieder um im Zeichen der Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution stand. P. hatte seit 1801 seinen Wohnsitz in Altona. Nach dem Fall des Hauses Sieveking im Jahr 1811 zog P. mit seiner Frau in die Nähe von Voghts Wohnung nach Flottbek, wo er von 1816 bis 1821 bei Voght selbst wohnte, jedoch ohne sein Haus in Altona aufzugeben. Nach dem Tod seiner Frau führte er ein zurückgezogenes Leben und widmete sich ganz der Aufzeichnung seiner Erinnerungen.

P.s bleibende Bedeutung liegt in seiner publizistischen Tätigkeit. Als Verfechter der liberalen Ideen von 1789 und in engem Kontakt mit den sogenannten deutschen Jakobinern war er deswegen aber noch lange kein radikaler Befürworter der Französischen Revolution. Die von ihm ergriffenen Hilfsmaßnahmen für die Emigranten entsprangen einer humanitären Gesinnung, die er später (1816) ähnlich in einem Gutachten über das schleswig-holsteinische Armenwesen offenbarte und die ihn in die geistige Nähe von Voghts Christentum der Tat rückt

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